Leseproben


Im eigenen Wohnmobil nach Nordamerika

Leseproben aus »Tausend Tage Wohnmobil - 
In drei Jahren durch Amerika, Australien und Neuseeland«

USA - Apache Trail

Schroff heben sich die dunklen Zacken der Berge gegen den wolkenlosen Wüstenhimmel ab. Sie wirken abweisend und faszinierend zugleich. Stachelige Chollas und Prickly Pears wachsen an ihren Abhängen, und dazwischen recken mächtige Kandelaberkakteen, die berühmten Saguaros, ihre verzweigten Arme der gleißenden Sonne entgegen. Über einen dieser Abhänge müssten sie jetzt eigentlich geritten kommen, jene Helden der alten Western, die aufrechten Hauptes und edler Gesinnung am Ende der Story stets über das Böse triumphieren und Recht und Gesetz zum Sieg verhelfen. Wir blicken uns um in dieser Wildwestkulisse, blinzeln in die flirrende Hitze, aber von Clint Eastwood, Charles Bronson & Co. ist nichts zu entdecken. Western sind nicht mehr in. 
Am Apache Trail, Arizona, USA
Wir haben Phoenix auf dem Apache Boulevard verlassen, der aufgestaute Canyon Lake liegt hinter uns, und unser Small Motorhome rollt auf dem Apache Trail, einem uralten Indianerpfad, dem in späterer Zeit die Postkutschen folgten, durch eine Wildwestlandschaft wie aus dem Bilderbuch. Hier, am Ende der Teerstraße, liegt zwischen Kakteen und Mesquitesträuchern ein kostenloser Campground, Ziel unserer heutigen Etappe. 
Inmitten der stacheligen Vegetation scheint plötzlich doch das alte Hollywood zu erwachen. Wie ein vergessener Statist taucht er plötzlich in der Naturkulisse auf: Unter dem Cowboyhut mit der Adlerfeder quillt wallendes Silberhaar hervor und den größten Teil seines Gesichts bedeckt ein grauer Rauschebart. 
 Ein stilechtes Cowboyhemd trägt er zu den ausgewaschenen Jeans und die überdimensionale Gürtelschnalle ziert ein grimmiger Adlerkopf. 
"Ich lese in der Bibel”, begrüßt er uns. Dann erklärt er uns, dass er ein Bum sei, was so etwas ähnliches wie ein Hobo wäre, ein Landstreicher und Vagabund. 
”Meine fünfte Frau war auch aus Germany”, erzählt er. ”Aber jetzt bin ich verwitwet, denn sie ist mit meinem Boot im Golf von Mexiko untergegangen. Sie musste sterben, weil sie nicht gottgefällig gelebt hat”, berichtet er uns ganz ernsthaft. ”Denn eines Tages hörte ich eine Stimme, die sagte: ‘Verkauf dein Boot und geh nach Arizona’, aber meine Frau wollte auf Gottes Stimme nicht hören. Jetzt habe ich kein Boot mehr und bin alleine nach Arizona gegangen.” Die Story klingt auch nach Hollywood. Ob er wohl dem Willen Gottes ein wenig nachgeholfen hat?

Wir stehen mit unserem Small Motorhome inmitten der großartigen Wüstenlandschaft, und abends sitzen wir vor dem Camper und genießen zu den Klängen von Beethovens Klavierkonzert Nr. 1 den Sternenhimmel. Es ist schon seltsam, seit wir mit dem Wohnmobil durchs Land der Countries und Hillbillies rollen, sind die Cowboy-Sehnsuchtsschnulzen in der Versenkung verschwunden und unsere alte Vorliebe für Klassisches kommt wieder zum Vorschein. 
Plötzlich bewegt sich etwas vor meinen Füßen - vor unserer Campertür sitzt ein Tier. Es ist schwarz, etwas größer als eine Katze, hat einen kleinen schmalen Kopf, einen langen buschigen Schwanz und über den ganzen Rücken und den Schwanz zieht sich ein weißer Streifen. Als wir es mit der Taschenlampe anleuchten, verzieht es sich langsam - Gott sei Dank! Wenn wir mit dem lieben Tierchen nähere Bekanntschaft gemacht hätten, hätten wir womöglich für einige Zeit zwangsweise in der Wildnis campieren müssen. Wir sind zwar zoologisch nicht stark bewandert, aber dieser nächtliche Besucher ist ein Skunk, ein Stinktier. 
Man hatte uns davor gewarnt, nach dem Ende der Teerstraße den Apache Trail weiterzufahren, denn er wäre für Motorhomes nicht geeignet. Aber reizen würde er uns natürlich schon. Unser Hobo ist den Apache Trail schon gefahren. ”Ist die Straße wirklich so schlecht?”, wollen wir wissen. Er klappt seine Bibel zu, blickt gottergeben zum Himmel und zuckt mit den Schultern: ”Was ist schon schlecht? Manchmal ist es ein wenig steil.” Alles ist relativ. Wenn sein klappriger alter Truck den Apache Trail überstanden hat, packen wir ihn mit unserem soliden deutschen Gefährt auch.
Die schmale Gravelroad ist eine Straße der Superlative. In steilen Spitzkehren windet sie sich abwärts, führt durch zerklüftete Canyons und über kakteenbestandene Wüstenberge. 
Am Apache Trail
Die altehrwürdigen Saguaros mit ihren verzweigten Armen an der engen Waschbrettpiste haben schon die Eroberung des Westens miterlebt. Ich komme mir vor, als säße ich um 100 Jahre zurückversetzt in einer Postkutsche. Mit angehaltenem Atem klammere ich mich mit beiden Händen an Sitz und Haltegriff fest. Ich müsste weitaus kaltblütiger sein, um das Szenario bewundern zu können. Rechts der ”Straße” ragen überhängende Felsen in die Fahrbahn und links geht es ohne Leitplanke in die Tiefe. Im ersten Gang tastet sich Peter abwärts. Unsere Durchschnittsgeschwindigkeit liegt bei ca. 10 km/h. Wenn uns nur niemand entgegenkommt! Dann sind wir endlich unten! 
Hinter der abenteuerlichen Brücke wird die Piste wieder breiter, staubiges Waschbrett zwar, aber harmlos im Vergleich zur zurückliegenden Achterbahnfahrt nach unten. Am Apache Lake, einem Stausee des Salt River, reicht es uns für heute. Wir haben ganze 33 km auf dem Tageskilometerzähler! Aber was ist schon schlecht? Wir möchten die dramatischen Kilometer nicht missen - aber kein zweites Mal mehr fahren. 

Spätsommer, Zeit der Nachmittagsgewitter

Am Colorado
... Wer die Halbwüsten des Südwestens kennt, die Gipsdünen und Badlands New Mexicos, die Mondlandschaften Utahs, der kann sich gar nicht vorstellen, dass sich über das ausgetrocknete Land binnen Minuten Blitzfluten ergießen, dass sich trockene Washs in reißende Ströme verwandeln und die pittoresken Canyons in Sekunden zur tödlichen Falle werden können. 
Als wir Nevada durchquert und auf Cedar City zurollen, ballen sich vor uns dunkle Wolken bedrohlich zusammen. Der Wind legt auf Sturmstärke zu und unser Camper wird von unberechenbaren Böen geschüttelt. Es ist September, Spätsommer - Zeit der berüchtigten Nachmittagsgewitter, 
die in kürzester Zeit Straßen unpassierbar werden lassen, und die uns im letzten Jahr die Fahrt über so manch abgelegene Schotterstraße vermasselt haben. Wir wollten heute noch einen Pass überqueren - knapp 3.000 m hoch - bei diesem Wetter ein Himmelfahrtskommando! Letztes Jahr hatten wir zwei dieser Spätsommergewitter miterlebt, hatten in New Mexico gesehen, wie die Stadt Gallup binnen Minuten unter Wasser stand, und in Page staunend vor den reißenden, lehmigbraunen Wasserfällen gestanden, die sich urplötzlich in den Colorado ergossen. 
Wir flüchten vor den Windböen in die Stadt, und kaum, dass wir uns zwischen den schützenden Gebäuden eines Einkaufszentrums versteckt haben, öffnet der Himmel seine Schleusen.
Am nächsten Morgen scheint die Sonne vom blauen Himmel, als wäre nichts gewesen. Es war auch nicht viel - in Cedar City zumindest. Aber nachdem wir den Pass überquert haben und auf Kanab zurollen, sind die Teerstraßen mit Sand zugeschwemmt. Hier muss das Unwetter weit stärker gewütet haben. 
Als wir am Nachmittag zum Lone Rock Campground abbiegen, ist das geteerte Sträßchen unter einer holprigen Buckelpiste aus Sand verschwunden und zu beiden Seiten hat das Unwetter tiefe Canyons ausgewaschen. Unten am See sind überall nasse Schlafsäcke, Handtücher und Kleider über den Autos zum Trocknen aufgehängt. Das sind die Folgen des Unwetters, die wir unmittelbar zu sehen bekommen. 
Lake Powell
Von den Zelten, die der Sturm in den See gewirbelt hat, sehen wir nichts mehr und die Leute mit dem aufklappbaren Zeltcamper sind auch schon abgereist. Ihr Klappcamper stürzte in einer Bö um, als die Mutter und ihre zwei Kinder darin vor dem Unwetter Schutz gesucht hatten. Am schlimmsten ist jedoch, dass in den Canyons, die den See umgeben, wieder zwei Personen durch eine Blitzflut umgekommen sind. Spätsommer - im letzten August starben bei einer ähnlichen Blitzflut elf Touristen auf einer Fototour durch den Antelope Canyon, unweit des Lake Powell.
Abendsonne am Lake Powell
Trotz des gestrigen Unwetters ist der Strand noch reichlich voll. Die meisten sind ja ohnehin im komfortablen Motorhome unterwegs. Mal sehn, wo wir uns hinstellen.
”Sieh mal, da winkt uns jemand ganz aufgeregt!”
”Mensch, das sind doch Tom und Kathy aus Scottsdale!” 
Als wir letztes Jahr am Lake Powell standen, waren sie der Meinung, dass sie uns mit ihrem Motorhome zu nahe auf den Pelz gerückt wären. So quasi als Entschuldigung hatten sie uns zu einer Motorbootfahrt über den See eingeladen. Diesmal sind sie mit der ganzen Großfamilie hier. An diesem Abend sitzen wir samt den erwachsenen Kindern, Freunden, Nichten und Neffen am Lagerfeuer und erzählen von unserer Runde durch Amerika. 
”Die Amis sind oberflächlich”, konstatieren fast alle deutschen Reisenden. Von Tom und Kathy kann man das bestimmt nicht sagen. Die Herzlichkeit ist echt. Müssen wirklich erst große Freundschaften fürs Leben geschlossen werden, bevor man ein wenig freundlicher und netter miteinander umgeht und dem Nachbarcamper einen schönen Tag und eine sichere Reise wünscht? 
Wir fühlen uns stets wohl zwischen amerikanischen und kanadischen Campern, auch wenn wir uns manchmal ein wenig über ihre Macken amüsieren und uns ihre Generatoren und sonstigen Krachmaschinen mitunter auf den Geist gehen. Aber ganz egal, ob neben uns ein betuchter Pensionär im dicken Luxusmobil campt oder ein Hobo in einer alten Flohkiste - immer fühlen wir uns willkommen. 

Kanada - Berge, Seen und Moskitos

Kanada - wo beginnt eigentlich Kanada? Gleich nach der Grenze? Politisch auf jeden Fall. Aber war das schon das richtige Kanada, als wir in Tsawassen auf die Fähre rollten und durch ein spektakuläres Gewirr von bewaldeten Inseln nach Vancouver Island übersetzten? Das reizvoll englische Victoria - war das wirklich Kanada? Eigentlich schon, es ist ja schließlich die Hauptstadt von Britisch-Kolumbien. Oder waren doch erst die Regenwälder, die Wasserfälle, die reizvollen Provinzpark-Campingplätze, an der Strait of Georgia gelegen, echtes Kanada? Als wir später mit unserem Rundfahrticket auf die andere Seite der Strait wechselten, auf die vom Festland aus unzugänglichen Halbinseln, da dachte ich: ”Erst das ist das echte Kanada!”
Vancouver, Kanada, BC
Vancouver? Na gut, auch Kanada braucht Großstädte. Aber Kanada steigert sich, je weiter man ”hineinfährt”. Das richtige Kanada beginnt wohl doch erst hinter Kamloops, am Kariboo Highway wahrscheinlich oder am Dugan Lake, jenem kleinen See, an dem Motorboote verboten sind, weshalb die Kanadier mit leisen Elektrobooten zum Angeln fahren. War das nicht schon das absolute Kanadagefühl, als der urige Kanadier russischer Abstammung im Nieselregen mit der Kettensäge loszog, um Holz fürs abendliche Lagerfeuer zu beschaffen? 
Jetzt weiß ich es besser. Das ”wahre” Kanada, das, von dem wir später mit schwärmerischen Worten immer wieder erzählen werden, beginnt erst ein gutes Stück hinter Prince George. Es beginnt am Cassiar Highway, wo plötzlich kein Verkehr mehr ist und nur noch ab und zu ein einzelner Pick-up-Camper über den aufgebrochenen Asphalt rumpelt, wo es keine Ortschaften mehr gibt, sondern nur noch vereinzelte Servicestationen. Wo plötzlich Schwarzbären am Straßenrand auftauchen und ich aufgeregt nach der Kamera angele, durchs Autofenster ziele - und meist doch nur das Hinterteil von Meister Petz erwische. Wo plötzlich ein Elch knapp vor der Stoßstange über die Straße rennt und ich schon wieder zu langsam mit dem Foto bin. 
Am Cassiar Highway, Kanada, BC
Das ”echte” Kanada beginnt da, wo der Staub und der Dreck der Schotterstraße eine innige Verbindung mit unserem Wohnmobil eingegangen sind. ”North to Alaska!”, hat Peter mit dem Finger in die Schmutzschicht am Heck geschrieben. ”North to Alaska” - das ist inzwischen zum Ritual geworden. Jeden Morgen, wenn wir den Camper starten, schiebt Peter die Kassette in den Recorder, und wir singen aus voller Kehle mit. 
Sicher, der Highway selbst ist keine reine Freude - staubiger Schotter, aufgerissener Asphalt, Waschbrettbuckel, nur ab und zu mal Teer - aber was ist das schon angesichts einer überwältigenden Landschaft, einer Fahrt durch einsame Wildnis. Was ist schon eine Dreckschicht auf dem Auto, wenn dich am Abend die schönsten Campingstellen erwarten! 
So wie gestern, der kleine See mit dem seltsamen Namen ”Co-op Lake”, der plötzlich am Ende eines Waldweges vor uns lag. Dichter Wald umgab ihn, gelbe Wasserlilien blühten auf seiner Oberfläche, wir standen mit unserem Camper mutterseelenallein am Ufer - und kämpften einen aussichtslosen Kampf gegen eine Übermacht blutrünstiger Quälgeister. 
 O.k. - die Moskitos gehören auch zu Kanada. In Truppenstärke stürzen sich die Biester surrend auf jedes warmblütige Wesen, piesacken bevorzugt wehrlose Touristen, und nicht mal kräftiger Jeansstoff schützt vor dem Stich ihrer gierigen Saugrüssel. Nachts schmieren wir uns Autan ins Gesicht und liegen mit der Fliegenpatsche bewaffnet im Bett. 
Nachts um 22.30 Uhr an einem See im Yukon Territorium
Die Blutsauger schmuggeln sich hinterlistig in den Falten eines Pullovers ins Wohnmobil, überwinden mühelos den Rollmechanismus der Fliegengitter, schwirren augenblicklich durch jede, auch nur spaltbreit geöffnete Tür. Das ist das echte Kanada, genauso haben wir es uns immer vorgestellt. Die Schilderung nervtötender Moskitoangriffe fehlt in keinem noch so schwärmerischen Bericht.

 Baja California - Wale, Konvois & Militärkontrollen

Sie ist verdammt schmal, die MEX 1, und im Grunde besteht sie nur noch aus Schlaglöchern, die gut und gerne 30 cm tief sind. An ihren ausgefransten und abgebrochenen Seitenrändern geht es ohne Bankett oftmals einen Meter in die Tiefe. Selbst bei drastisch reduzierter Geschwindigkeit und ohne Gegenverkehr schafft es Peter nicht, allen Schlaglöchern auszuweichen.
Ab und zu wird die löchrige Teerdecke großflächig ausgebessert, wozu der Verkehr kurzerhand über den nächsten Acker umgeleitet wird, aber meist müht sich nur ein versprengtes Häuflein Arbeiter damit ab, die schlimmsten Löcher in wahrer Sisyphusarbeit von Hand zuzuschmieren. Seit wir Ensenada hinter uns gelassen haben, ist der Straßenzustand außerordentlich kritisch.
”Geh mal vom Gas, da vorne ist irgendetwas los.”
MEX 1, Baja California, Mexiko
Baja California, Mexiko
 ”Wahrscheinlich Schlaglochflicker.” Peter lässt das Auto ausrollen. 
”Nein Militär, die halten alle Wohnmobile an!” 
Bewaffnete junge Männer in Uniform kommen auf uns zu. Sie signalisieren uns, ebenfalls anzuhalten. 
Aha, das ist also eine dieser lästigen Militärkontrollen, von denen uns allenthalben berichtet wurde.
”Haben Sie Drogen oder Waffen?” fragt uns einer der Uniformierten mit wichtiger Miene.
”Nein, natürlich nicht!” 
Das kann ja jeder behaupten! ”Kontrolle!” gebietet er, und ein zweiter Uniformierter kommt mit schweren Militärstiefeln in unser Wohnmobil getrampelt. 
Mit seinen schmutzigen Fingern beginnt er an unseren Schranktüren zu zerren. Er kennt ja nur amerikanische Wohnmobile, die haben keine Schnappverschlüsse. Erschrocken demonstriere ich, wie sich unsere Klappen öffnen lassen. Pflichtbewusst wirft er einen Blick auf Töpfe und Tassen, T-Shirts und Jeans. 
”Eh, muchos libros!” staunt er beim Anblick unserer Reisebibliothek und blättert neugierig im Mexikoreiseführer. Dann fällt ihm wieder ein, warum er hier ist. ”Und was ist mit den Waffen? Haben Sie keine Pistolas?”
”Nein, nein, wir sind aus Alemania, wir haben keine Pistolas, wir haben nur Bücher.” 
”Aaah, Alemania!”, sein Gesicht verzieht sich zu einem breiten Grinsen. ”Fußball - Beckenbauer - sehr gut! Aber bei der Weltmeisterschaft werden wir euch besiegen!” 
Damit ist die Kontrolle beendet und wir werden weitergewinkt. Im Amimobil vor uns wird noch eifrig gesucht und debattiert. Im Weiterfahren entdecke ich einen weiteren Uniformierten. Er hält eine lange Leine in der Hand, die quer über die Fahrbahn läuft. Am anderen Ende der Leine ist, primitiv aber äußerst wirksam, ein langes Nagelbrett befestigt! Gas geben und einfach durchfahren ist also bei solchen Kontrollen, auch wenn sie noch so häufig und lästig sind, nicht angebracht! 
Alle 100 bis 200 km sind diese Militärkontrollen postiert - die vielen Wehrpflichtigen im kinderreichen Mexiko müssen beschäftigt werden. Außerdem kann man auf diese Weise auch die ungeliebten Amerikaner ein wenig ärgern - natürlich nicht zu sehr - gerade nur soviel, dass sie nicht wegbleiben und ihr Geld woanders ausgeben. Weil natürlich jeder Gringo erst mal für einen US-Amerikaner gehalten wird, steht vorne und hinten an unserem Wohnmobil ganz groß ”Alemania”. Auch die Kanadier kleben übrigens demonstrativ ihr Ahornblatt an die Windschutzscheibe - Deutsche haben jedoch in Mexiko einen Sonderbonus. ...
... Guerrero Negro ist zwar so ziemlich der hässlichste Ort, den wir je gesehen haben, aber ein Stück südlich zweigt von der MEX 1 eine Piste ab, die zu einer seichten Lagune führt. 
”Da, da vorne taucht wieder einer auf!” Begleitet von deutschen und englischen Begeisterungsrufen taucht der riesige Kopf eines Grauwals für Sekunden gut 2 m aus dem Wasser auf. Weiter draußen sichten wir eine große und eine kleine Blaslochfontäne - eine Walkuh mit ihrem Kalb. Unser Bootsführer drosselt den Außenborder, tuckert langsam und vorsichtig bis auf 10 m an die faszinierenden Tiere heran und wir, angetan mit gelben Friesennerzen und orangenfarbenen Schwimmwesten, fotografieren, was das Zeug hält. 
Grauwal in der Laguna Ojo de Liebre
Grauwal
Alljährlich zwischen Januar und März bringen die Grauwale auf ihrem langen Zug nach Norden in der ”Laguna Ojo de Liebre” ihre Jungen zur Welt. Hier, in der geschützten, seichten Bucht, die umgeben ist vom Gelände einer Salzgewinnungsanlage, treffen sie auf den Zug der Schneevögel, die noch immer auf dem Weg nach Süden und begierig auf alles Neue und Interessante sind. 
Die Walbeobachtung in der Lagune der Salzgewinnungsanlage steht unter der Aufsicht einer mexikanischen Naturschutzbehörde und ist strengen Richtlinien unterworfen. Private Boote sind untersagt und die eigens ausgebildeten Bootsführer dürfen eigentlich nicht näher als 20 m an die Wale heranfahren. 
Wenn die Jungen etwas größer geworden sind und die Mütter sich an die Boote gewöhnt haben, tolerieren die Tiere allerdings auch nähere Distanzen. Nach der Bootsfahrt sitzen wir noch den ganzen Nachmittag vor dem Wohnmobil und beobachten die Wale mit dem Fernglas - gegen eine kleine Gebühr kann man nämlich direkt an der weitläufigen Lagune campen. Nach 27 km Piste kann man sich keinen interessanteren Campingplatz vorstellen. Von unserem Konvoi ist jedoch weit und breit nichts zu sehen. Das Gros der RV bleibt auf dem Campingplatz in Guerrero Negro und lässt sich teuer, dafür aber weniger mühsam und staubig, gleich per Boot in die Lagune schippern.

Im eigenen Wohnmobil nach Australien und Neuseeland

Leseprobe aus »Tausend Tage Wohnmobil - in drei Jahren durch Amerika, Australien und Neuseeland«

Oldie-Sport in Masterton, Neuseeland

Neuseeland

... Was der Jugend recht, ist den Senioren billig. Auf einem Clubgelände spielen gut drei Dutzend schon ziemlich betagte alte Knaben Bowling. Zu ihren weißen Hosen und Hemden tragen sie weiße Hüte und sie schieben mit Ruhe und Bedacht ihre Kugeln. Alles geht friedlich und harmonisch vonstatten, und alle Beteiligten haben sichtbar ihren Spaß an der Sache. Der Anblick der vergnügten alten Herren ist für uns so exotisch, dass wir ihn mit der Kamera festhalten müssen. 
Auf dem Platz nebenan spielen ältliche Ladies, genauso weiß gekleidet und nicht minder vergnügt, Croquet. Sie haben es nicht nötig, sich die Zeit mit Nörgeln und Krakeelen zu vertreiben.
Als die Vorfahren der weiß gekleideten alten Herrschaften nach und nach das ganze Land in Beschlag nahmen, ging das verständlicherweise weniger friedlich und harmonisch vonstatten. Wie überall in der Neuen Welt, mussten auch in Neuseeland die Bewohner der Küsten als Erste den neuen Siedlern weichen. In den Urwaldgebieten des Berglands hielt sich der Widerstand. Tuhoe, Kinder des Nebels, hieß der Stamm des Häuptlings Te Kooti, der die Bergzüge des mit undurchdringlichem Busch und Urwald bedeckten Urewera National Parks bewohnte. Die Tuhoe fochten einen erbitterten Freiheitskampf gegen die Briten aus. Nach jahrelanger Belagerung, während der die Maoris zu Hunderten verhungerten, brach 1872 schließlich der Widerstand zusammen. 
Die Rosies Bay am Lake Waikaremoana, im Urewera Nationalpark  Nordinsel Neuseeland
Urewera Nationalpark, Lake Waikaremoana
Wüsten und Urwälder bringen aber nicht nur Widerstandskämpfer, sondern mitunter auch recht komische Käuze hervor. Kurze Zeit später tauchte bei den inzwischen bekehrten Maoris der Region ein neuer Messias auf. Er hieß Rua Kenana und erklärte sich selbst zum jüngeren Bruder von Jesus. Seinen Anhängern versprach er sieben Frauen und ein ewiges Leben. Als er jedoch 1937 starb, ohne, wie versprochen, von den Toten aufzuerstehen, verliefen sich seine Anhänger enttäuscht. 
Rebellen und Sektierer sind längst Geschichte. Heute bietet der Urewera National Park den gefährdeten, flugunfähigen Vögeln, wie zum Beispiel dem nachtaktiven Kiwi, Schutz. 
Uns locken in erster Linie die wilde Landschaft mit ihrer heimischen Vegetation, die Wasserfälle und natürlich der See. Eine Staubfahne hinter uns herziehend, rumpeln wir um tausend Kurven und Kehren ein enges, steiles Schottersträßchen aufwärts. In der Rosie’s Bay, einer winzigen Campingstelle direkt am Lake Waikaremoana, lassen wir uns häuslich nieder. 
Obwohl Ferienzeit und damit Hochsaison ist, steht außer uns nur noch ein kleines Zelt in der Bay. Abseits der Rennstrecke gelegen, bleibt dieser Nationalpark von den Touristenmassen verschont und wir genießen die Ruhe und Stille. 
Im Urewera Nationalpark, Nordinsel Neuseeland
Uns wird beileibe nicht langweilig, denn wenn wir nicht im glasklaren, kalten Wasser des Sees schwimmen oder mit dem Boot über die Bucht paddeln, werden wir musikalisch von einigen Vögeln hoch oben in den Wipfeln der Bäume unterhalten. Die schwarzen Tuis mit den weißen Federbommeln am Hals sind eifrige Sänger. Frühmorgens um halb fünf beginnen sie bereits mit ihrer klangvollen Darbietung und komponieren bis spät in den Abend neue Tonfolgen und Tonleitern.
Auch an den reizvollen Wasserfällen und auf den Wanderwegen ist wenig Betrieb, weshalb wir uns im Urewera National Park letztendlich wesentlich länger aufhalten als in den amerikanischen Parks, mit ihrer oft so spektakulären Landschaft. 

Australien

Wir lechzen nach Ruhe und Erfrischung und haben dem Trubel am Pool den Rücken gekehrt. Mehr Ruhe verspricht der abgelegene, weitläufige Nationalpark-Campingplatz und Erfrischung der Roper River, an dessen Verlauf durch den Park mehrere Badestellen liegen. Palmen und Eukalyptusbäume säumen seine Ufer, Kakadus und Sittiche liefern mit ihrem Geschrei und Gekreisch den passenden Dschungel-Sound. 
Zuerst sticht mir das braune, undefinierbare Zeug ins Auge, das vereinzelt, teils in Teppichen auf der grünen Wasseroberfläche schwimmt. Abwässer? Nein, die sehen anders aus. Misstrauisch mustern wir das schlammige Ufer, das Wasser, das keinen Blick zum Grund durchlässt. 
Am Roper River
Irgendwie trauen wir uns in die grüne Brühe nicht so recht hinein. Wenn es nur nicht so schrecklich heiß wäre... Dann entdecke ich das Schild: Im Roper River gibt es Süßwasserkrokodile!
”Ja, natürlich gibt es Süßwasserkrokodile im Fluss. Aber die Freshies sind vollkommen harmlos”, klärt uns der Ranger am Campingplatz auf. ”Im Gegensatz zu den gefährlichen Salties, den Salzwasserkrokodilen, werden die nur maximal zweieinhalb bis drei Meter lang!” Ach, so klein sind die Tierchen, das ist ja ungemein beruhigend!
”Wenn die so harmlos sind, warum stellt ihr dann Warnschilder auf?” 
”Das verlangt das Gesetz. Aber Freshies fressen nur Fische und Kleingetier und sie gehen erst am Abend auf Beutefang. Deshalb darf man in der Dämmerung nicht mehr zum Baden gehen. Tagsüber ist Schwimmen völlig ungefährlich. Freshies sind so scheu, dass man sie gar nicht zu Gesicht bekommt”, und zur Bekräftigung seiner Worte drückt uns der Ranger einen Lageplan mit den besten Badestellen in die Hand.
Unterhalb des Campgrounds sind Badepontons im Fluss verankert. Man könnte wirklich ganz bequem über Leitern ins Wasser. Es schwimmen auch schon ein paar Leute in den grünen Fluten herum und die Kids schubsen sich gegenseitig kichernd und spritzend ins kühle Nass. Von den Krokodilen ist nichts zu sehen. Es ist wirklich höllisch heiß und das braune Zeug, das am Ufer herumschwimmt, sollen ja auch nur harmlose Algen sein...
Das Schwimmen im Fluss ist ein Hochgenuss! Ein wenig ungewohnt, weil man im grünen Wasser nicht sieht, was unter einem ist, und weit weg vom rettenden Ponton getrauen wir uns auch nicht. Es könnte ja immerhin möglich sein, dass plötzlich ein drei Meter kurzes Süßwasserkrokodil außerplanmäßig Appetit auf importierte Germans bekommt.

Dies sind natürlich nur Auszüge aus dem Fernwehschmöker. Das "Was und Wie und Warum" finden Sie im ausführlichen Infoteil von »Tausend Tage Wohnmobil - in drei Jahren durch Amerika, Australien und Neuseeland«
Nach der Lektüre des Reisebuchs heißt Ihr nächstes Ziel womöglich: 

Neuseeland und Australien im Wohnmobil


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